Obwohl bereits 1905 Walter Kriemitz lebende Mikroorganismen im Magen beobachtet hatte, hielt sich hartnäckig in der Wissenschaftswelt die Meinung, dass Mikroorganismen im alles zersetzenden Magenmilieu, in dem pH-Werte von bis zu 1 herrschen können, keine Überlebenschance haben.
Geschwüre im Magen und im sich anschließenden Zwölffingerdarm wurden als psychosomatisch und als „Übersäuerung des Magens“ angesehen und mit Antazida (Säurebinder) oder Magensäureblockern behandelt.
Derartige Medikamente bringen der Pharmaindustrie auch heute noch hohe Gewinne!
Nachdem die beiden australischen Wissenschaftler John Robin Warren und Barry Marshall 1983 ein Bakterium entdeckten, dass zunächst Campylobacter pyloridis benannt wurde und das sie für die Ursache von Magenschleimhautentzündungen und Geschwüren im Bereich des Magens und der vorderen Dünndarmabschnitte verantwortlich sahen, machte letzterer einen Selbstversuch.
Der völlig gesunde Barry Marshall schluckte in Anwesenheit seines Kollegen Bakterien des entdeckten Stammes. Nach wenigen Tagen bekam er eine Magenschleimhautentzündung.
Damit war für die beiden Wissenschaftler klar, dass ihr entdecktes Bakterium für einen Großteil von Magen- Dünndarmerkrankungen verantwortlich ist.
Das bedeutete noch immer nicht, dass ihre Erkenntnis von der medizinischen Forschung ernst genommen wurde.
Es dauerte noch einige Jahre in denen Millionen Menschen weiter falsch behandelt wurden, bis es endlich 1989 zum Durchbruch der Erkenntnis auch in der weltweiten Wissenschaftswelt kam. Der inzwischen besser erforschte Keim, der zu den vielen anderen pathogenen Campylobacter-Arten gehört, die infektiöse Durchfallerkrankungen verursachen können, erhielt wegen des Bestandes an Enzymen und seiner vielen Funktionen den Namen Helicobacter pylori.
Marshall und Warren wurden 2005 für ihre Forschungen an dem Bakterium mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.
Inzwischen weiß man, dass H. pylori weltweitin den Mägen der halben Menschheit weltweit vorhanden ist.
Anhand der unterschiedlichen Typen des Bakteriums konnten Forscher nachweisen, dass Helicobacter schon seit über 50.000 Jahren in den Mägen von Menschen existieren, da es eindeutige Hinweise dafür gibt, dass verschiedene Typen der Mikroorganismen bereits von unseren Vorfahren mit den Völkerwanderungen mitgereist sein müssen.
Später gelangte der afrikanische Typ mit der Verschleppung von Sklaven nach Amerika.
Bevölkerungsgruppen bei denen kaum eine Vermischung stattgefunden hat, wiesen dagegen kommunale Stämme auf. So besitzen in Nordindien Buddhisten und Muslime zwei unterschiedliche Typen.
In Deutschland haben insgesamt etwa 33 Millionen Menschen (lt. Wikipedia) das Bakterium in ihrem Magen, aber nur bei 10-20% macht es gesundheitliche Probleme.
Dennoch kommen die meisten chronischen Magenprobleme von Helicobacter.
Andererseits erkranken 80-90% der Träger nicht, und wenn es stimmt, dass das Bakterium bereits seit über 50.000 Jahren in uns Menschen lebt, ist es schwer vorstellbar, dass ein Keim, der nur in der Lage ist den Körper zu schädigen, von unserem Immunsystem über solange Zeiträume toleriert wird.
In Studien von 12 Jahren mit über 100.000 Probanden konnte nachgewiesen werden, dass H.pylori wesentlich mehr Fähigkeiten besitzt als ursprünglich angenommen wurde.
Der Keim, der es nur dadurch geschafft hat, in einer absolut unwirtlichen Umgebung zu überleben, hat mehrere Strategien dafür entwickeln müssen. Zum einen produziert er ein basisches Stoffwechselprodukt, dass den hohen Säuregehalt in seiner Umgebung neutralisieren kann. Zum anderen siedelt er sich unter der Magenschleimhaut an, mit der die Magenwand sich vor Selbstverdauung schützt. Er kann außerdem mit anderen Stoffwechselprodukten die gelartige Konsistenz der Schleimhaut flüssiger machen, um sich dann mit propellerähnlichen Proteinfäden hervorragend fort zu bewegen.
Eine phantastische Leistung für ein winziges Bakterium.
Aber die Forschungen an dem Bakterium ergaben noch weitere interessante Ergebnisse.
Es war bereits nach gewiesen worden, dass Helicobacter unterschiedlich gefährlich ist, je nach nachgewiesenen Merkmalen, die für seine Aggressivität verantwortlich sind. Hatte es die entsprechenden Merkmale, war die Wahrscheinlichkeit Magenprobleme zu bekommen groß, hatte es sie nicht war es eher harmlos.
Die Forschungen an den Probanden wurden mit der aggressiven Variante durchgeführt und auch sie ergaben interessante Ergebnisse.
Man stellte nach 12 Jahren Beobachtungszeit fest, dass bei den Probanden mit dem Helicobacter-Typ zwar eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Magenkrebs vorlag, aber nur die Hälfte der Probanden im Vergleich zu den anderen Testteilnehmern an Lungenkrebs oder Schlaganfall verstarb.
Auch Hautekzeme traten bei Menschen mit Helicobacter wesentlich seltener auf (mehr als 30% weniger).
Bereits vor dieser Studie war vermutet worden, dass ein Keim der solange vom Immunsystem toleriert worden war, nicht nur schlechte Eigenschaften besitzen könne.
Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt eine Behandlung bei Magenproblemen und Nachweis des Bakteriums sowie in Fällen, in denen familiär Magenkrebs, und bestimmte andere Magenerkrankungen oder Parkinson vorkommen. Ein Zusammenhang zwischen Parkinson und H.pylori wird von einigen Wissenschaftlern nicht ausgeschlossen.
Der Nachweis des Keims ist inzwischen einfach durch einen Atemtest sowie durch Antigen-Nachweis im Stuhl oder Antikörpernachweis im Blutserum zu führen.
Durch zunehmende Resistenzentwicklungen des Keimes gegen Antibiotika, wird jedoch die Therapie zunehmend schwieriger, sodass verantwortungsbewusste Mediziner vor einer Behandlung einen Resistenztest der zu behandelnden kultivierten Erreger durchführen sollten.
Dies würde weitere Resistenzentwicklungen verhindern.
Über die Entwicklung eines Impfstoffes gegen das Bakterium wurde von internationalen Wissenschaftlern diskutiert und aus China werden bereits erste Erfolge bei der Impfstoffentwicklung (2013) gemeldet.
Skeptiker, zu denen ich mich auch zähle, beobachten Trends besonders in den westlichen Industrieländern, dass Autoimmunkrankheiten, wie Asthma, Allergien, Diabetes, Neurodermitis, Morbus Chron zunehmen. Gleichzeitig führen medikamentelle Therapien und falsche Ernährung zu einer Eliminierung von Darmbakterien, die vor einigen Jahrzehnten noch die menschliche Mikrobiota besiedelten.
Auch die Heliobacter-Raten sind während der Zeit der Zunahme von Autoimmunerkrankungen gesunken.
Diese Beobachtungen sollte man nicht ignorieren, und auch nicht die These dass Helicobacter unser Immunsystem durch die Bildung von sogenannten regulatorischen T-Zellen stärkt, die eine wichtige Rolle bei der Regulierung des Immunsystems bei Menschen und Tieren spielen.
Bei der Entscheidung, etwas körpereigenes zu eliminieren oder zu erhalten, sollte stets Nutzen und Schaden sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.